An der Universität Erfurt untersucht am „Institute for Planetary Health Behaviour“ (IPB) ein interdisziplinäres Forschungsteam, welche Rahmenbedingungen nötig sind, um „klimagesundes Verhalten“ zu erzeugen – also menschliche Gesundheit zu fördern und das Klima sowie die Umwelt zu schützen. Wir sprachen mit Prof. Dr. Cornelia Betsch, der Direktorin des neuen Instituts.
(Foto: Marco Borggreve)
MdM: Frau Professor Betsch, die naheliegende Frage zu Beginn – wie verhalte ich mich denn „klimagesund“?
BETSCH: „Klimagesundes Verhalten“ umfasst sehr vieles. Etwa wenn wir für Kurzstrecken eher das Fahrrad als das Auto nutzen, oder wenn Sie bei der Ernährung mehr auf pflanzliche als auf tierische Produkte setzen. All solche Dinge sind klimagesundes Verhalten, denn sie beeinflussen Umwelt und Klima und wirken gleichzeitig auch auf Ihre Gesundheit und Wohlbefinden zurück.
Was wäre der Unterschied zu ökologisch nachhaltigem Verhalten?
Der wesentliche Unterschied ist, dass das Konzept von „Planetary Health“ eben auch den Gesundheitsaspekt einbezieht – dass klimafreundliches Verhalten auch positive Gesundheitsfolgen hat. Genau diesen Zusammenhang betrachten wir auch in unserem Institut besonders. Das rührt daher, dass die Keimzelle vieler unserer Projekte im Bereich des Gesundheitsverhaltens liegt.
In der öffentlichen Debatte wird der Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Gesundheit des einzelnen Menschen ja noch eher selten gezogen. Warum ist das so?
Ein Beispiel, wie dieser Zusammenhang mitunter in die Öffentlichkeit getragen wird, sind Hitzewellen: Dann wird erklärt, wie ich mich selbst gut gegen Hitze schützen kann – für kurze Zeit ist das dann medial sehr präsent. Aus der wissenschaftlichen Community wird dabei die Bildsprache kritisiert: Menschen, die Eis essen oder ins Schwimmbad gehen – dabei können diese Phasen für manche Personen lebensgefährlich sein, weshalb eine ganz andere Art der Aufklärung stattfinden müsste. Tatsächlich gibt es viele mit dem Klimawandel verbundene Gesundheitsrisiken, die noch gar nicht so in der Breite bekannt sind.
Zum Beispiel?
... dass hier neue Pflanzen heimisch werden, die zu anderen Zeiten blühen und damit die Pollensaison für Allergiker verlängern. Oder sich Insekten neu ansiedeln, wie die Tigermücke, die in einigen Gegenden Deutschlands schon heimisch ist: Man sieht bereits im Norden Italiens, wie das Krankheiten mit sich bringt, die bisher in Afrika aufgetreten sind und gegen die es keine Impfung gibt. Das sind Dinge, mit denen wir uns zunehmend werden beschäftigen müssen.
Ihrem Institut geht es auch darum, über individuelles Verhalten hinaus die Akzeptanz politischer Rahmenbedingungen für klimagesundes Verhalten zu betrachten. Weil freiwilliges Verhalten einzelner nicht die nötigen Veränderungen bewirkt?
Individuelles Verhalten ist natürlich relevant. Im Idealfall ist es jedem wichtig, klimafreundlich zu handeln; jeder sieht im Idealfall ein, dass es wichtig für die Gesundheit und die Umwelt ist – und entscheidet sich freiwillig dafür. Wir wissen alle, dass es nicht so ist. Forschungsergebnisse im Bereich der Psychologie und des Policy-Making zeigen, dass veränderte Rahmenbedingungen einen sehr viel stärkeren Einfluss auf das Verhalten haben als Kommunikation allein. Sprich: Jede Aufklärung ist wichtig, wird das Ruder aber alleine nicht herumreißen. Es wird ja über Besteuerung bestimmter Lebensmittel diskutiert, was eine lenkende Wirkung haben kann – also die relativen Anteile des Konsums verschieben, indem beispielsweise Gemüse und Hülsenfrüchte geringer besteuert werden. Unser Institut schaut bei diesen Themen: Welche Möglichkeiten bringen solche Rahmenbedingungen – und wie sollte man sie kommunizieren? Wir wollen genauer verstehen, wie dieses Zusammenspiel die Akzeptanz der Menschen beeinflusst.
Gibt es dazu schon erste Zwischenerkenntnisse? Dass also eine bestimmte Form der politischen Einflussnahme eher kontraproduktiv ist oder welche eher auf Akzeptanz stößt?
Im Moment zeigen wir zunächst einmal auf, wie hoch die Akzeptanz für verschiedene Maßnahmen ist, die der „Bürgerrat Klima“ entwickelt hat, und was die Akzeptanz beeinflusst. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem ein Tempolimit für Autobahnen und der Kohleausstieg. Interessanterweise zeigt sich unter anderem, dass über 70 Prozent der Befragten finden, es solle über Parteien und Ressorts hinweg einen Zusammenschluss der Politik geben, um gemeinsam Lösungen zu schaffen. Es ist nicht so, dass die Bevölkerung die Verantwortung abgeben will. Der Tenor ist: „Ich möchte selber etwas beitragen – aber die Politik soll bitte Maßnahmen ergreifen, die mir klimafreundliches Handeln leichtmachen.“
In der Corona-Pandemie gab es deutliche regionale Unterschiede in der Akzeptanz politischer Maßnahmen. Sind ähnliche Unterschiede auch bei der Klima-Thematik nachweisbar?
Tatsächlich ist hier die Datenlage in Bezug auf die Corona-Maßnahmen deutlich besser als bisher für Klimafragen. Derzeit sammeln wir dazu noch Erkenntnisse. Ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz von Maßnahmen war in der Pandemie das Vertrauen in die Politik: Und das war im Osten durchgängig geringer als im Westen. Und da die Kommunikation der Maßnahmen durch die Regierung erfolgte, waren diejenigen schnell außen vor, die der Politik nicht vertrauten. Das gleiche kann auch bei Klimathemen passieren – umso wichtiger ist es, hierzu hochwertige Klima-kommunikation zu betreiben, die unabhängig ist.
Wo sehen Sie dabei die größten Herausforderungen?
Eigentlich weiß man aus der psychologischen und kommunikationswissenschaftlichen Forschung schon recht gut, was es für gute Klimakommunikation braucht. Das Problem ist eher, dass es an Institutionen mangelt, die das hauptamtlich und für ganz Deutschland tun – auch da zeigen sich Parallelen zur Corona-Pandemie, die für alle ein schmerzhafter Lernprozess war. Darum ist auch ein Entwicklungsziel unserer Arbeit, Formate zu entwickeln, in denen man beispielsweise mit Bürgern und Journalisten diskutiert, wie Erkenntnisse – und eben auch Unsicherheiten – medial kommuniziert werden.
Das läuft auf das Thema Wissenstransfer hinaus, den sich Ihr Institut ja ebenfalls vorgenommen hat. Wie sieht die zugehörige Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Multiplikatoren aus?
Wir arbeiten mit NGOs und Think Tanks zusammen, mit denen wir uns austauschen, gemeinsame Forschungsideen generieren und auch Veranstaltungen organisieren – zum Beispiel Workshops für öffentliche Einrichtungen zu guter Risikokommunikation. Im Laufe des Jahres wollen wir eine Gesprächsreihe starten, um Brücken zu bauen zwischen Klimawissenschaften und Sozial- und Verhaltenswissenschaften und mehr Interesse für das Thema zu wecken. Als Forschungsinstitut ist primär unser Anliegen, die Ergebnisse nutzbar zu machen durch eben solchen Wissenstransfer.
Bestimmte Gruppierungen fordern deutlich radikalere Veränderungen für das Klima; der Diskurs polarisiert sich zusehends. Welche Rolle kann Ihr Institut in einer solchen Situation spielen?
Wir versuchen – nicht zuletzt mit unserer repräsentativen Erhebung, der PACE-Studie – in gewisser Weise ein Spiegel der gesellschaftlichen Debatte zu sein. Jeder bewegt sich heute in seinen Filterblasen, wodurch eine enorme Polarisierung entstehen kann. Es ist darum wichtig, für Politik, Medien und gesamtgesellschaftlich einen Gradmesser zu haben, wie sich die Zustimmung zu Maßnahmen – oder auch die zu Protesten – tatsächlich entwickelt. Um also etwas genauer einschätzen zu können, wie die Menschen denken. Natürlich ist auch das nicht gänzlich unverzerrt – jede Studie, jede Erhebung hat auch ihre Schwächen. Aber es ist ein Baustein, um im Blick zu haben, wo sich der Diskurs hinbewegt, vor allem auch im Zeitverlauf.
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, Frau Professor Betsch.
Cornelia Betsch hat die Professur für Gesundheitskommunikation an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt inne. Die Psychologin forscht unter anderem zu sozialen Aspekten bei Gesundheitsentscheidungen. Sie ist Direktorin und eine der Gründerinnen des Instituts für klimagesundes Verhalten.
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