Unsere Vision: ein Magazin aus Mitteldeutschland

Vom Versuch, eine vielfältige Region zu erlesen, erschreiben, erklären – trotz oder gerade wegen ihrer problematischen und diffusen Bezeichnung.


von David Leuenberger, Barbara Bushart & Frank Kaltofen

Wo liegt Mitteldeutschland?

Die Antwort auf diese Frage werden weder dieser Text, noch diese Ausgabe, noch das Mitteldeutsche Magazin abschließend geben können – oder auch wollen.

Mitteldeutschland setzt sich aus einer Vielzahl von Orten, Ereignissen, Personen, Institutionen zusammen und eine erste Annäherung über einzelne Nennungen kann zumindest einen Anhaltspunkt bieten. Mitteldeutschland – das sind Goethe und Schiller, Bach und Mendelssohn Bartholdy, die Weimarer Klassik und das Bauhaus; es umfasst international renommierte Volluniversitäten, Musikhochschulen, Technische Universitäten sowie zahlreiche weltweit bedeutsame Forschungseinrichtungen aus diversen Disziplinen. Mit Mitteldeutschland ebenso verbunden sind die Urburschenschaften, die Weimarer Republik, der Beginn der Montagsdemonstrationen. Die erste bedeutende Regierungsbeteiligung der NSDAP, das Konzentrationslager Buchenwald, große Wahlerfolge von rechtsextremistischen Parteien nach der Wiedervereinigung, rassistisch motivierte Gewalt und rechtsradikaler Terrorismus – auch das ist Mitteldeutschland.

Die Assoziationen sind so vielfältig wie der Begriff unscharf ist. Er wird in der geschichtswissenschaftlichen Forschung überaus kontrovers diskutiert. Zunächst im linguistischen und landschaftlich-geografischen Kontext gebraucht, durchlief die Bezeichnung mehrere politische Karrieren – nicht alle davon unproblematisch: Seit der deutschen Teilung wurde „Mitteldeutschland“ zu einem Schlagwort für Revanchisten, die es vor allem als Bezugspunkt für die ehemals (ost-)deutschen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze nutzten.

Vor seiner geschichtsrevisionistischen Nutzung stand der politische Begriff „Mitteldeutschland“ vor allem im Zentrum verwaltungsrechtlicher Reformüberlegungen. Der Ort, der einst zwischen den „großen“ Königreichen Preußen und Bayern sowie der Habsburgermonarchie lag, wurde zur Zeit der Weimarer Republik zum lebhaften Gegenstand von Regionsbildungskonzepten – Ideen, die auch nach 1989/90 wieder eine Konjunktur erlebten, ohne jedoch in eine Länderverwaltungsreform zu münden.

Dennoch: „Mitteldeutschland“ wird im Alltag von Hunderttausenden Menschen gelebt – besonders der 1991 gegründete Mitteldeutsche Rundfunk hat die Bezeichnung prominent im öffentlichen Bewusstsein platziert. In dieser Lesart fasst „mitteldeutsch“ als regionale Verortung die heutigen Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zusammen, und dies wird auch unsere Arbeitsgrundlage im Mitteldeutschen Magazin sein.
 

Wozu ein Mitteldeutsches Magazin?

Durch den MDR werden die drei Länder schon seit rund drei Jahrzehnten medial repräsentiert, allerdings nur im Bereich Fernsehen und Radio. Im Printjournalismus fehlt eine solche überregionale Repräsentation. Hier setzt das Mitteldeutsche Magazin an und wird länderübergreifend und überregional Sichtbarkeit schaffen für die gleichzeitig geschichtsträchtige und innovative Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsregion, die Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bilden.

Wir wollen an die zahlreichen Zusammengehörigkeiten anknüpfen, die alle drei Länder miteinander als „mitteldeutsch“ verbinden und einen Beitrag dazu leisten, Einrichtungen und Engagierte über die Ländergrenzen hinweg miteinander enger zu vernetzen. In unseren Beiträgen sollen Gemeinsamkeiten herausgestellt werden, die Akteure und Institutionen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zusammenbringen. Keinesfalls geht es dabei um Gleichmacherei: Gemeinsamkeiten schließen eigene Identitäten, individuelle Akzente, einzigartige Ausdrucksformen nicht aus. 

Wir begreifen dieses „Mitteldeutschland“ als lebendigen Entwurf, nicht als ein starres Konzept und möchten mit unserem Magazin die Idee einer regionalen Vernetzung aufgreifen, weiterentwickeln, aber auch ebenso hinterfragen, umgestalten, möglicherweise neu definieren – kurz: die eingangs gestellte Frage nach der Verortung Mitteldeutschlands in einem permanenten Work in Progress diskutieren. Was war Mitteldeutschland, was ist es, was kann und soll es sein – diese und ähnliche Fragen werden uns und unsere Gesprächspartner umtreiben.

Um diese Themen mit Ihnen und möglichst vielen gesellschaftlichen Akteuren der Region zu diskutieren, bieten wir eine offene, überparteiliche und unabhängige Plattform – losgelöst von einzelnen regionalen Gremien, Gebietskörperschaften, Wirtschaftsverbänden oder politischen Vertretungen der Kreise, Städte und Länder, die Mitteldeutschland bilden. Als Printmagazin, das vier Mal im Jahr erscheinen wird, ersparen wir uns gern die Hektik einer Tageszeitung: Was wir an Tagesaktualität einbüßen, wird das Magazin an Besonnenheit, Gründlichkeit und Tiefgründigkeit gewinnen. Dafür stehen wir auch bewusst als gedruckte Zeitschrift; exklusive Beiträge auf unserer Internetseite sowie Aktivitäten auf sozialen Medien sollen den Grundideen des Magazins folgen und diese ergänzen.

Mehr zur Idee des Magazins im Interview mit FLURFUNK

Was erwartet unsere Leserinnen und Leser?

Geschichte, Kultur und Wissenschaft sind wiederkehrende Elemente, wenn über Mitteldeutschland diskutiert wird und daher ist es nur folgerichtig, dass unsere Ressortstruktur sich an diesen drei Bereichen orientiert. Wir sind keine geschichtswissenschaftliche Fachzeitschrift, kein klassisches Kulturmagazin, kein Forschungsjournal, aber wir möchten die besten Elemente aus allen dreien zusammenbringen. Unsere Zeitschrift richtet sich an ein breites Publikum aus verschiedenen Bevölkerungs- und Altersgruppen. Gerade die Kommunikation zu Kultur- und Wissenschaftsthemen sollte verständlich und nachvollziehbar gestaltet werden.

In Interviews und Gastbeiträgen werden wir vielfältige Akteure aus Mitteldeutschland selbst zu Wort kommen lassen. Mit Reportagen und Portraits blicken wir tiefgründiger in die Geschichte und Kulturszene der Region. Nicht tagesaktuell, aber doch am Puls der Zeit werden wir Gedenktage und Jubiläen bei unserer Themenauswahl berücksichtigen. Ebenso orientieren wir uns natürlich an den zahlreichen Veranstaltungen, die in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stattfinden, und werden diese durch Vorab- und Hintergrundberichterstattung begleiten: Sei es die Leipziger Buchmesse, das Weimarer Kunstfest, die Erfurter Herbstlese, das Jenaer Kurzfilmfestival cellu l’art, die Hallenser Händel-Festspiele oder eine Vielzahl anderer kleiner und großer Kulturhighlights.

Wir werden außerdem wiederkehrende Schwerpunkte setzen, indem wir einige feste Rubriken etablieren. In zwei dieser wiederkehrenden Beiträge wird es darum gehen, natur- wie auch geisteswissenschaftliche Forschungsarbeit einem allgemeininteressierten Publikum auf ebenso informative wie spannende Weise näher zu bringen. In der „Archivalie der Ausgabe“ möchten wir mitteldeutsche Geschichte durch einen konkreten Gegenstand greifbar machen: Experten aus Archiven und Kulturinstitutionen erzählen und kontextualisieren die Geschichte(n) hinter einem ausgewählten Archivstück. In der Kolumne „Mitteldeutschland unter dem Mikroskop“ wird Dr. Pavel Ivanov, Wissenschaftler am Institut für Geowissenschaften der FSU Jena, ausgewählte Forschungsergebnisse aus Mitteldeutschland kurz und pointiert vorstellen.

Schließlich – und spätestens hier gelangen wir wieder zu der eingangs erwähnten Frage nach der Verortung Mitteldeutschlands zurück – wird die Rubrik „Weltoffenes Mitteldeutschland“ in jeder Ausgabe vertreten sein. Die Idee eines demokratischen, weltoffenen und pluralistischen Mitteldeutschlands ist für unser Verständnis der Region essenziell. Es liegt uns besonders am Herzen, die vielfältigen Stimmen der mitteldeutschen Zivilgesellschaft stärker hör- und sichtbar zu machen. Die Region ist einerseits ein (Erinnerungs-)Ort deutscher Demokratiegeschichte und zeugt zugleich von der Fragilität der Demokratie, davon, wie sehr sie tagtäglich gelebt werden muss. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind Länder, in denen rechtsradikale Extremisten mit großen Fraktionen in Landtagen vertreten sind. Wir wollen diese Entwicklung nicht als stille Beobachter tolerieren. Mitteldeutschland war und ist nicht nur eine Region innerhalb Deutschlands, sondern ein europäischer und internationaler Ort, der unzählige Menschen von außerhalb (unter anderem zwei Mitglieder unserer Redaktion), aus anderen deutschen Regionen, aus anderen, teils fernen Ländern angezogen hat – die wiederum maßgeblich zu seiner Lebendigkeit, seiner vielfältigen Geschichte und Kultur, seiner exzellenten Forschung beigetragen haben. Eine Welt ohne Mitteldeutschland ist durchaus denkbar, Mitteldeutschland ohne den Austausch mit der Welt ist es absolut nicht.

Wir laden Sie herzlich dazu ein, mit uns zukünftig gemeinsam dieses weltoffene Mitteldeutschland sichtbar zu machen, zu erkunden, zu diskutieren. Mit einem Magazin aus, aber längst nicht nur für Mitteldeutschland.

 

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